Montag, 15. Mai 2017

Politische Korrektheit als rhetorische Figur

Der Begriff "politisch korrekt" hat eine seltsame Karriere durchlaufen. Darauf weist Claus Leggewie in seinem jüngsten Buch "Anti-Europäer. Breivik, Dugin, al-Suri & Co." hin, das man sich seit kurzem auch bei der bpb bestellen kann (Bestell-Link)
"Es geht bei der paranoiden Kritik an der politischen Korrektheit nicht um tatsächlich zurückgehaltene Informationen, sondern darum, eine Meinungsäußerung, die in Wahrheit ebenso banal wie ubiquitär ist, als mutig und dem Establishment entgegengesetzt zu deklarieren. Die 'herrschende Meinung' wird so als Meinung einer herrschenden Minderheit demaskiert, und derjenige, der das Spiel unterbricht, wird als Tabubrecher nachgerade verehrt, gewählt und in Ämter gehoben - die einst 'schweigende Mehrheit' verfällt dabei regelmäßig ins Brüllen: 'Lügenpresse!'" (S. 39)
Leggewie unterscheidet vier Phasen der Entwicklung des Begriffs: Von der schlichten Erkenntnis, "dass auch Worte verletzen und beleidigen können" (Phase 1), zum politischen "Kampfbegriff gegen die vermeintliche Sprachzensur" (Phase 2), dann umschlagend in eine Art "conservative correctness" (Phase 3) bis hin zur heutigen Situation (Phase 4), in der "PC" zum "Totschlagargument der radikalen Rechten" geworden ist (Zitate S. 39/40). In der Tat zählt die Widerstandspose gegen PC ("das wird man ja noch sagen dürfen") zu den wichtigsten rhetorischen Stilmitteln der Rechtspopulisten.

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