Mittwoch, 25. Januar 2017

Populismus als Herausforderung der liberalen Demokratie

Ein Beitrag von Patrick Kiesel zu folgendem Aufsatz:

Werner A. Perger (2015), Die neue Dimension des Populismus: Die europäische Rechte und die eurasische Herausforderung der liberalen Demokratie; in: Hillebrand, Ernst (Hg.), Rechtspopulismus in Europa. Gefahr für die Demokratie?, Dietz Verlag, S. 128-137.

Der Text Pergers behandelt zu Beginn exemplarisch die Entstehungsgeschichte des europäischen Populismus anhand der Entwicklungen in Italien und Österreich Mitte der 90er Jahre und zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Anschließend setzt er den Aufstieg populistischer Kräfte mit dem Versäumen politischen Handelns seitens der etablierten Parteien in Beziehung.

Perger sieht die Demokratie, wie wir sie kennen, in Gefahr. Er sieht das Erstarken der Populisten unter russischem Einfluss als „paneuropäische Herausforderung“ und stilisiert die Auseinandersetzung zwischen mit gelenkter Demokratie liebäugelnden Populisten und (Sozial-)Demokraten als Kampf um die „kulturelle Hegemonie“ in Europa.
„Die Wahlerfolge der rabiaten neuen Kleinparteien am rechten Rand, die den alten Volksparteien den Finger zeigten, wurden zwar registriert. Doch für die etablierten Kräfte hatte das eher den Charakter von lästigen Nebengeräuschen.“ (S. 128)
Doch die Populisten begannen ab Mitte der 90er Jahre, politisch Fuß zu fassen. Die FPÖ wurde im Jahr 2000 sogar Teil der österreichischen Regierung. Heutzutage ist der europäische Populismus weit verbreitet.
„Inzwischen ist aus dem damaligen Rumoren im europäischen Untergrund ein tektonisches Beben geworden. Es zu ignorieren oder durch kalkulierte Vernachlässigung entschärfen zu wollen, ist keine strategische Option mehr. (…) Sie sind zwar kaum an Regierungen beteiligt, doch vielfach bestimmen sie entweder die politische Tagesordnung mit, oder sie sind es, die im Alltag die Themen setzen.“ (S. 129)
So wird im Folgenden die Idee der erodierenden Demokratie von Wolfgang Merkel aufgegriffen und erläutert. Zwar hat die Demokratie mit Gleichberechtigung der Geschlechter und sinkender Diskriminierung Erfolge zu verzeichnen, doch haben gravierende sozioökonomische Ungleichheiten tiefe Gräben geschaffen. Hierbei sieht Perger vor allem sozialdemokratische Parteien in der Schuld, da sich diese von ihrem Kernklientel entfernt haben.

Diese „vergessenen“ Menschen scheinen nun besonders anfällig für radikale Lösungsansätze zu sein. Um diese „Enttäuschten“ wieder zu erreichen, sind laut Perger kreative und sozial-intelligente Führungspersonen vonnöten.
„Vertrauen aufzubauen, ist schwer. Noch schwerer aber ist es, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. Das ist der Stresstest für die Demokraten und für das europäische Demokratiemodell, die historische Kombination aus Rechtsstaat, Sozialstaat und liberaler Demokratie.“ (S. 132f.)
Durch die Vernetzung populistischer Kräfte auf EU-Ebene schreitet laut Perger die Arbeit an einem neuen Demokratiemodell, der „Demokratie ohne Liberalismus“ voran. Hierbei sieht er vor allem den ungarischen Präsidenten Viktor Orban, Marine Le Pen und das russische Staatsoberhaupt Putin, an dessen Führungsmodell sich orientiert wird, involviert. Gleichzeitig scheint die repräsentative Demokratie an akuter Führungs-, Ideen- und Entscheidungsschwäche zu leiden.

Eine der Strategien der Populisten besteht darin, durch mehr Abstimmungen bzw. mehr „Volksbeteiligung“ die parlamentarische Demokratie immer mehr einzugrenzen und auszuhöhlen. Dies wird als „plebiszitäre Transformation“ bezeichnet, bei der unter Umständen der Kern der repräsentativen Demokratie verloren gehen könnte.

Unter populistischen Parteien ist der Anti-Amerikanismus weit verbreitet. In Zeiten eines permanenten Informationskrieg warnt Perger, dass die europäischen Populisten auch ohne Regierungsbeteiligung entscheidenden Einfluss auf die gesellschaftliche Meinung erlangen könnten.
„So geht der Kampf um die »kulturelle Hegemonie« in Europa von der Ebene nationaler Kämpfe zwischen alten und neuen Parteien in die große Konfrontation der gegensätzlichen Systeme über.“ (S. 135f.)
Laut Perger befinden wir uns in einem kalten Krieg zwischen Demokraten und Antidemokraten. Die Vision eines postdemokratischen Führerstaates scheint nicht allzu weit entfernt. Zwar beendete Russland mit der Annexion der Krim faktisch eine lange europäische Friedenszeit, doch sieht Perger die größte Gefahr in dem aggressiven Potenzial der populistischen Parteien in der jeweiligen eigenen Gesellschaft.
„Deshalb sind die »Putin hilf« Plakate aus dem Pegida-Milieu für den Historiker so beunruhigend - als Ausdruck einer »kruden Mischung von Antiamerikanismus und einer merkwürdigen Verklärung deutsch-russischer Gemeinsamkeiten«.“ (S. 136)
Die europäischen Populisten seien, so Perger, vor allem mit der Unterstützung Putins durchaus in der Lage, die alten demokratischen Machteliten herauszufordern bzw. diese in Bedrängnis zu bringen.

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