Donnerstag, 22. Dezember 2016

Besinnung

Vor einigen Jahren hat eine Freundin, Goldschmiedin von Beruf, zu mir gesagt, dass sie dem nächsten, der in ihrer Gegenwart von einer "besinnlichen Weihnachtszeit" fasele, vor die Füße spucke. Ich möchte Sie trotzdem zum Ausklang des Jahres zur Besinnung verführen, und zwar aufs Wesentliche. Und das ist an einer Bildungsuniversität die Frage nach der Bildung. Vor ein paar Jahren hat sich der Philosoph Robert Spaemann die Frage gestellt: "Wer ist ein gebildeter Mensch?" und nicht einmal zwei Seiten für eine brillante Antwort benötigt, die Sie hier als pdf finden...

Dienstag, 20. Dezember 2016

Länderstudien: Schweiz / SVP

Zusammenfassung der Referatsgruppe

Entwicklung der SVP
  • 1936: Gründung der Bauern-, Gewerbe- und Bürgerpartei (BGB)
  • 1971: Umbenennung in SVP (Schweizerische Volkspartei)
  • Etablierung als Gegnerin einer außenpolitischen Öffnung der Schweiz
  • 1990er: unter Christoph Blocher Bewegung nach rechts (reicher Unternehmer, der z.B. provozierende Kampagnen der Partei finanziert)
  • Ablehnung des EWR-Beitritts
  • Migrationspolitik, die durch Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit geprägt ist
  • Nationalratswahlen 2007 28,9 %, große Wählerstimmenverschiebung, grundlegende Veränderung des Parteiensystems
  • 2008 Abspaltung des moderaten Flügels der SVP mit dem neuen Namen Bürgerlich-Demokratische Partei (BDP)
  • SVP besitzt 2 Sitze im 7-köpfigen Bundesrat, der Regierung

Parteiprogramm: Durch das gesamte Parteiprogramm führt der Hund Willy, das Maskottchen der SVP. Es ist sehr bunt und beinhaltet viele Bilder und Grafiken, die unterstützend wirken sollen. Die SVP wirbt damit, "Scheinasylanten" und "Wirtschaftsmigranten" konsequent abzuschieben. Außerdem sollen Personen, die aus sicheren Drittstaaten in die Schweiz einwandern, kein Asyl bekommen. Des Weiteren wirbt die SVP damit, dass sie die Nothilfen für Personen mit abgelehntem Asylantrag senken und die Abschiebung dieser Personen fördern will. Die Grenzkontrollen in der ganzen Schweiz sollen stark ausgeweitet werden. Für den Bürger bedeutet das laut der SVP mehr Sicherheit, und als Steuerzahler hat man den Vorteil, dass einem weniger Scheinasylanten auf der Tasche liegen. Außerdem meint die SVP, dass dadurch weniger Kriminalität in der Schweiz herrscht und die humanitäre Tradition der Schweiz so fortgesetzt werden kann.

Volksinitiative „Masseneinwanderung stoppen!“

Die Volksinitiative „Masseneinwanderung stoppen!“ wurde von der SVP seit 2011 lanciert. Sehr schnell konnte die Partei hiermit Anklang im Volk finden. Dennoch war bis kurz vor der Volksabstimmung am 9. Februar 2014 nicht klar, für was sich das Volk entscheiden würde. Umfragewerte, die drei Wochen vorher erhoben wurden, zeigten eine Tendenz gegen die Initiative. Somit kam es doch eher überraschend, als 50,3% der Bevölkerung bei einer Stimmbeteiligung von 56,6% für die Volksinitiative der SVP stimmten. Auffällig war, dass ein großer Teil der Pro-Stimmen aus der deutschsprachigen Schweiz und ländlichen Gegenden kamen. Außerdem stimmten die Menschen in Gegenden, in denen viele Menschen mit Migrationshintergrund wohnen, tendenziell gegen die Initiative.

In der Volksinitiative „Masseneinwanderung stoppen!“ forderte die SVP, dass die Zuwanderung in die Schweiz durch Höchstzahlen gesteuert werden soll. Außerdem sollen der Anspruch auf Aufenthalt, Familiennachzug und Sozialleistungen eingeschränkt werden. Stark kritisiert wurde die Initiative vom Schweizer Parlament. Argumentiert wurde beispielsweise damit, dass durch Kontingente für die Einwanderung gegen das Freizügigkeitsabkommen mit der EU verstoßen würde. Das sei zum einen schlecht für die Beziehungen zu den EU-Staaten, vor allem zu den direkten Nachbarländern, zum anderen wäre die Initiative schlecht für die Wirtschaft, da die Schweiz durch die Migration von hochqualifizierten Arbeitskräften sehr stark profitiert. Des Weiteren drohe durch die Initiative die Erschaffung eines Bürokratiemonsters. Argumente der Befürworter waren vor allem, dass die unkontrollierte Migration negative Folgen für die Schweizer Bevölkerung habe, zum Beispiel die schlechte Wohnungslage oder Lohndumping.

Prägnant kann man hier die Abgrenzung der SVP gegenüber der EU erkennen. Diese wird als „falsche“ Elite dargestellt und ist somit unerwünscht. Genau mit diesem Kurs gewann und gewinnt die SVP immer noch sehr viele Wähler für sich. Den Antipluralismus als zweites zentrales Merkmal für Populismus kann man an diesem Beispiel durch die ablehnende Haltung gegenüber Ausländern erkennen: „die Schweiz den Schweizern“. Allgemein äußert sich die SVP sehr islamfeindlich, bekannt ist zum Beispiel die Volksinitiative gegen den Neubau von Minaretten, die für die SVP auch erfolgreich ausging.

Sonntag, 18. Dezember 2016

Ursachen für den Aufstieg der Populisten

Sozioökonomische Globalisierungsverlierer oder Kulturkampf - auf diesen Dualismus spitzt sich die Debatte um die Ursachen für die Wahlerfolge populistischer Politiker und Parteien zu. Die Zeit hat mit Marcel Fratzscher und Clemens Fuest zwei Ökonomen zum Streitgespräch geladen: "Ist die Ungleichheit schuld?" Schon in den Eingangsstatements findet sich der Dualismus in geradezu idealtypischer Weise:
Marcel Fratzscher: (...) Immer mehr Menschen haben das Gefühl, dass es ungerecht zugeht, sie erkennen, dass sie in ihren Chancen und Freiheiten beschnitten werden, dass es den eigenen Kindern nicht besser gehen wird und dass die politische und wirtschaftliche Elite ihre Anliegen ignoriert. Dies ist nicht nur ein Gefühl, sondern die Realität: Die soziale Ungleichheit ist ein zentrales Problem der westlichen Welt heute. Wer das leugnet, lebt auf einem anderen Planeten.
Clemens Fuest: Ganz so einfach ist es nicht. Wir haben es bei der Trump-Wahl in erster Linie mit einer Ablehnung des politischen Establishments in den USA und der von ihm verkörperten liberalen Werte zu tun: Offenheit für Zuwanderung, Toleranz gegenüber anderen Religionen und Minderheiten, die Gleichberechtigung von Frauen – all das wird infrage gestellt. Es geht also um kulturelle Probleme. Unter den Trump-Anhängern sind auch viele, die vom wirtschaftlichen Fortschritt der vergangenen Jahre nicht profitiert haben, aber die spielen nicht die Hauptrolle. Das Einkommen der Trump-Wähler insgesamt liegt über dem US-Durchschnitt.
Fratzscher: Das ist kein kultureller Konflikt, sondern ein sozialer – und wir sollten dies auch anerkennen. Die 61 Millionen Amerikaner, die für Donald Trump gestimmt haben, sind nicht alle automatisch rassistisch, sexistisch und fremdenfeindlich. Diese Menschen haben als Ablehnung gegen die Elite und wegen ihrer Unzufriedenheit über ihre soziale und wirtschaftliche Lage für Trump gestimmt.

Samstag, 17. Dezember 2016

Freitag, 16. Dezember 2016

Länderstudien: Niederlande / PVV

Zusammenfassung der Referatsgruppe

Umfragen zur Parlamentswahl im März 2017 erwarten einen starken Rechtsruck im niederländischen Parlament. Die aktuellen Regierungsparteien, die rechtsliberale VVD und die sozialdemokratische PvdA, verlieren demnach einige Sitze, während der rechtspopulistischen Partei PVV deutliche Gewinne vorausgesagt werden.

Fortuyn, van Gogh und Wilders – die Anfänge des Rechtspopulismus 

Pim Fortuyn (1948-2002)
  • Soziologe, Publizist und Politiker
  • bis 1989 Mitglied der sozialdemokratischen PvdA, danach der rechtsliberalen VVD
  • später Kritiker der sozialliberalen Regierung und des Islam
  • bekennender Homosexueller
  • Buch „Gegen die Islamisierung unserer Kultur“
  • Februar 2002: „Liste Pim Fortuyn“ (LPF)
  • 6. Mai 2002: Ermordung durch militanten Umweltschützer
  • Parlamentswahlen 15. Mai 2002: Großer Sieg der LPF mit kurzer Regierungsbeteiligung
Theo van Gogh (1957-2004)
  • Filmregisseur und Satiriker
  • polarisierte mit provokanten und zynischen Äußerungen u.a. zur multikulturellen Gesellschaft und dem Islam
  • Dokumentarfilm über Pim Fortuyn
  • Ermordung durch einen radikalen Islamisten am 2. November 2004
Geert Wilders (*1963)
  • niederländischer Vater, indonesisch-niederländische Mutter
  • seit 1998 Mitglied des niederländischen Parlaments, bis 2004 für die VVD
  • 2006 Gründung der „Partei für die Freiheit“ (PVV)
  • politische Positionen: sieht sich in der Nachfolge Pim Fortuyns, scharfer Kritiker der EU, Ablehnung des Islam, vertritt gesellschaftspolitisch liberale Positionen
Die rechtspopulistische PVV
  • Ideologie fußt auf Islam-Alarmismus, Populismus, Nationalismus sowie Recht und Ordnung
  • Wilders ist einziges offizielles Mitglied; Abgeordnete, Vertreter in Provinzen und Gemeinden sind formal Angestellte/ Freiwillige
  • keine öffentliche Gelder, da weniger als 1000 Mitglieder, deshalb arme Partei
  • angewiesen auf kostenlose (Wahl-) Werbung durch permanente Präsenz in den Medien; dies wird erreicht durch (immer radikalere) Provokationen
  • Wählerschaft überwiegend aus der Arbeiterschicht und unteren Mittelschicht, tendenziell weniger gebildet, marginaler Unterschied zwischen Männern und Frauen, jung und alt; Mehrzahl lebt in den stärker besiedelten Provinzen im Westen (Rotterdam / Den Haag), traditionelle Arbeiterviertel (neue Vorstädte) 
Die PVV im europäischen Vergleich
  • Gemeinsamkeiten mit anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa: Islamfeindlichkeit, Kritik an der Europäischen Union, anti-elitär (gegen Haager Establishment), anti-pluralistisch, (mediale) Aufmerksamkeit durch Provokationen, liberale Wirtschaftspolitik wie die schweizerische SVP
  • Unterschiede zu anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa: liberale Ausrichtung bei gesellschaftlichen Fragen, kein eindeutiges Stadt-Land-Gefälle, formal ist die PVV eine Ein-Mann-Partei

Länderstudien: Polen / PiS

Zusammenfassung der Referatsgruppe 

PiS ("Recht und Gerechtigkeit")

  • 2001 von den Zwillingen Lech und Jarosław Kaczyński gegründet
  • Gemeinsame Parteiführung bis zum Tod von Lech Kaczyński (2010)
  • Zu Beginn eher autoritär/sozialpopulistisch geprägt, dann national-katholisch
  • Nationalstaat im Zentrum als Bewahrer von Normen und Moralvorstellungen
  • Slogan „Heiligkeit der Familie“ (strenge Abtreibungsgesetze, Ablehnung der Gleichstellung von Mann und Frau)
2005 – 2007
  • Wahl 2005: PiS mit 26,9 % stärkste Kraft im Parlament, Koalitionsregierung
  • Heftiges Vorgehen gegen Oppositionelle (Politiker, Medien, Unternehmer)
  • Verbündete sich mit extremen Gruppen (Nationalisten, Anti-Europäer, Fremdenfeindlichkeit, katholische Fundamentalisten)
  • Kaczyńskis fordern Abgrenzung Polens gegen linken Pluralismus (gegen moralische Vielfalt sowie Rechte für Minderheiten und das Individuum)
  • EU-kritisch: Befürchten Dominanz starker Länder (Deutschland)
  • Regierungskoalition der PiS zerbricht 2007 frühzeitig
Smolensk
  • April 2010: Flugzeugabsturz bei Smolensk (Ursache: menschliches Versagen)
  • Lech Kaczyński sowie weitere Regierungsmitglieder und Militärs sterben
  • Jarosław Kaczyńskis Verschwörungstheorie: Anschlag der Russen, Donald Tusk und seine damalige Regierung sind beteiligt. Sie sind Verräter des polnischen Volkes...
  • Spielfilm zur Stützung der Verschwörungstheorie entsteht
  • Smolensk-Bewegung: Einige sehen in Jarosław Kaczyński die Person, die Polen wieder dem polnischen Volk zurückgeben kann und die Regierung aus den Händen Russlands befreien kann
PiS an der Spitze
  • Wahl 2015: 37,6% der Stimmen, absolute Mehrheit in beiden Kammern (Sejm, Senat) des Parlaments
  • Westen Polens: sozioökonomisch gut entwickelt, urban geprägt, wählt nicht die PiS, sondern liberale Bürgerplattform PO
  • Osten Polens: weniger sozioökonomisch entwickelt, ländlich, nationalkonservativ, Hochburgen der PiS
  • umstrittene Gesetzesvorhaben der PiS: extrem strenges Abtreibungsgesetz, Lähmung des Verfassungsgerichts, Einschränkung der Versammlungsfreiheit, Vorgehen gegen oppositionelle/liberale Medien („Gazeta Wyborcza“)

Was tun gegen den Rechtspopulismus?

Ralf Stegner, stellvertretender SPD-Vorsitzender, und der Politikwissenschaftler Richard Stöß diskutieren (auf hohem Niveau) über Rechtspopulismus und -extremismus ausgehend von Fragen des (digitalen) Publikums - sehenswerte 60 min:

Donnerstag, 15. Dezember 2016

Rezension zu Jan-Werner Müllers "What is Populism?"

Die renommierte London School of Economics and Political Science (LSE) betreibt zahlreiche hervorragende Blogs (Übersicht). Ein Blog ist Rezensionen gewidmet (Review of Books) und dort ist eine Rezension von Theresa Gessler zu Jan-Werner Müllers Populismus-Buch erschienen, das auch auf Englisch vorliegt: "Book Review: What is Populism?":
"He organises his book around three questions, the latter two of which still lack scholarly attention: namely, what do populists say; what do populists do when they are in power; and how should they be dealt with?"

Samstag, 10. Dezember 2016

Welt-Interview mit Jaroslaw Kaczynski

Die Referatsgruppe hat den Artikel "Wie Kaczynski mit Orbán die EU retten will" (09.10.2016) aus der Welt zur Lektüre empfohlen:
"Der Europarat behandele die Türkei viel besser als Polen, beklagt Ex-Premier Jaroslaw Kaczynski. Er selbst präsentiert sich als Retter der EU – und fürchtet ausgerechnet den Rechtsruck vieler Länder."
Hinweis zum Verständnis: Im obigen Zitat und im Artikel ist vom "Europarat" die Rede. Gemeint ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Europäische Rat oder der Rat der Europäischen Union. Das muss nicht heißen, dass es Kaczynski geht wie den meisten Europäern und er diese Organe nicht auseinanderhalten kann, es könnte sich vielmehr auch um einen Übersetzungsfehler handeln, denn der Artikel wurde aus dem Italienischen übersetzt.

Freitag, 9. Dezember 2016

Länderstudien: Ungarn / Fidesz

Zusammenfassung der Referatsgruppe

Fidesz
  • Akronym für „Bund Junger Demokraten“
  • Vorsitzender: Viktor Orbán, Ministerpräsident
  • Mitglied der Europäischen Volkspartei (EVP)
1988 – 2000
  • Gründung im Jahr 1988, in den Anfangsjahren Partei junger Intellektueller, stand für Marktwirtschaft, Jugend und Freiheit
  • 1990 Einzug in das Parlament mit 9%
  • Nahm in den 1990er Jahren konservativ-wirtschaftsliberale Positionen ein
  • 7% bei der Parlamentswahl 1994
  • Orbán leitete Transformation ein: Partei rückte stärker nach rechts, da rechte Parteien zersplittert waren und der linke Flügel durch MSZP stark besetzt war
  • Fidesz erhielt 1998 38% der Stimmen und trat unter Viktor Orbán als Ministerpräsident mit der Unabhängigen Kleinlandwirtepartei in eine Koalition bis 2002 ein
2000 – 2010
  • Opposition von 2002 bis 2010, „Wahlniederlage“ 2002 mit 41% und 2006 mit 42%, starke Fragmentierung des Parlaments 2006: MSZP 43%, Fidesz 42%, SZDSZ 6,5%, MDF 5,0%
  • Wahlerfolg bei der Europawahl 2004, 13 Sitze im Europäischen Parlament
  • Fidesz konnte Kapital aus Korruptionsskandalen der sozial-liberalen Koalition (2006-2010) und der Bankenkrise 2008 schlagen, Unterstützung Ungarns mit 20 Mrd. Euro durch IWF, EU und Weltbank aufgrund ökonomischer Krise
  • Wahlerfolg bei der Parlamentswahl 2010 mit Zweidrittelmehrheit, Ministerpräsident: Viktor Orbán
2011 – 2016
  • Umstrittene Verfassungsänderung im Jahr 2011: Verkleinerung des Parlaments von 386 auf 199 Sitze, Einrichtung der Kontrollbehörde NMHH zur Überwachung privater und staatlicher Fernseh- und Radiosender, Zeitungen und Internetseiten, Einschränkung des Verfassungsgerichts, Gesetze nur noch verfahrensrechtlich, nicht mehr inhaltlich zu prüfen, "der von der Verfassung gewährte Schutz der Familie wird eingeengt auf Mann und Frau, die miteinander verheiratet sind und Kinder großziehen“, Leiter(in) des Nationalen Justizamtes kann bestimmte Fälle bestimmten Gerichten zuweisen
  • Fidesz erhielt bei der Parlamentswahl 2014 133 Sitze und verfehlte erneute Zweidrittelmehrheit knapp, Ministerpräsident: Viktor Orbán
  • Bau eines Grenzzauns im Jahr 2015 zu Serbien
  • Orbáns Referendum 2016 gegen EU-Quote für Flüchtlinge mit 39,9% ungültig
"System Orbán"
  • dysfunktionales und liberal geprägtes “System des Systemwechsels” → deshalb Umstrukturierung durch Orban
  • Fidesz als Hegemonialpartei mit politischer und gesellschaftlicher Integrationsfunktion
  • institutionelle Reformen → Einschränkung der Autonomie von Verfassungsgericht, Justiz und Nationalbank
  • Vermittelt die „Stimme des Volkes“, fordert Regieren auf „nationaler Grundlage“ und „im Interesse der Menschen“
  • Heutige Rhetorik prägt vor allem die Kritik am internationalen Großkapital sowie an „den Reichen“ im allgemeinen, heftige Verbalattacken gegen Banken und das Kapital seit dem Ausbruch der Krise
  • Gegenüberstellung von „alter Ordnung“ und „neuem Zeitalter", Klassifizierung der Wahlen und der Ermächtigung durch zwei Drittel der Wählerstimmen als „Revolution“
  • Duldung rechtsextremer Äußerungen, eindeutige Abgrenzung von der rechtsradikalen Seite wird vermieden

Donnerstag, 8. Dezember 2016

"Die Wutpolitiker" - Auslandsjournal über Populisten in Europa

Ihre Kommilitonin Frau Unseld weist auf folgenden Beitrag hin:

Das ZDF Auslandsjournal veröffentlichte gestern (07.12.2016) eine sehr interessante Reportage über die rechtspopulistischen Parteien aus Frankreich, Österreich, Polen und den Niederlanden. Die Moderatorin Antje Pieper trifft die "Wutpolitiker" und ihre Wähler und beschreibt die politische Stimmung in den einzelnen Ländern.

Außerdem stellt Jan-Werner Müller den Begriff "Populist" in zwei unterschiedlichen Aspekten dar und macht noch einmal die Intentionen der Populisten mit ihrem Leitspruch "Wir sind das Volk" deutlich. Auf der Website zum Beitrag heißt es:
"Erst das Brexit-Votum, dann der Wahlsieg Donald Trumps – zwei Paukenschläge, die den demokratischen Westen gehörig erschüttert haben. Plötzlich scheinen in der Politik nicht mehr Argumente und Fakten gefragt, sondern Vereinfachungen, Verzerrungen, auch glatte Lügen. Das auslandsjournal widmet sich in einer 45-minütigen Spezialausgabe dem Erstarken populistischer Kräfte in Europa."

Montag, 5. Dezember 2016

Populismus und Social Media: Fake-News und Social Bots

Das Brexit-Referendum und der Wahlkampf Donald Trumps haben auf Phänomene wie Social Bots und Fake-News aufmerksam gemacht. Zwischenzeitlich sind einige Beiträge erschienen, die Orientierungswissen in dieser Debatte bieten. Eine Auswahl:
  • Simon Hegelich: Invasion der Meinungs-Roboter, Konrad-Adenauer-Stiftung: Analysen & Argumente, Ausgabe 221, September 2016 (Link, pdf)
  • Adrian Lobe: Gefährden Meinungsroboter die Demokratie?, Spektrum (Link)
  • Sascha Lobo: Wie soziale Medien Wahlen beeinflussen, Spiegel Online (Link)
  • Markus Reuter: Fake-News, Bots und Sockenpuppen - eine Begriffsklärung, Netzpolitik.org (Link
  • Gregor Weichbrodt: Bots unter Generalverdacht, Krautreporter (Link)

Sonntag, 4. Dezember 2016

Podcast zum Populismus auf DRadio Wissen

DRadio Wissen hat einen Vortrag von Jan-Werner Müller als Podcast veröffentlicht. Es handelt sich um die ersten 28 Minuten der Audiodatei. Der Vortrag ergänzt und erweitert denjenigen bei der bpb (siehe hier) um Themen rund um Soziale Medien und Begriffe wie "postfaktisch" sowie um Gedanken zum "Semi-Pluralismus" als Kennzeichnung der Gesellschaften, in denen Populisten regieren. Auf der DRadio-Website wird die Sendung "Plötzlich Populist" wie folgt beschrieben:
"Wo kommen auf einmal die vielen Populisten her? In den USA hat sich Donald Trump mit seinen extremen Positionen durchgesetzt. In Frankreich bringt sich Marine Le Pen in Stellung für den Präsidentschaftswahlkampf 2017. Geert Wilders macht die Niederlande unsicher und in Ungarn hat sich der selbstbewusste Viktor Orbán festgesetzt. Der Politikwissenschaftler Jan-Werner Müller von der Princeton University hat dazu auf einer Veranstaltung unseres Hauptstadtstudios in Berlin gesprochen. Nicht jeder, der Eliten kritisiere, sei automatisch ein Populist, grenzt Müller zunächst ab. Dann deckt er messerscharf auf, was Populisten ausmacht und warum sie so erfolgreich sind. Nach Müller behaupten sie stets, dass sie - und nur sie - das vertreten, was sie als das "wahre Volk" bezeichnen."

Freitag, 2. Dezember 2016

Bertelsmann-Studie zum Populismus

Ihr Kommilitone Herr Sigler empfiehlt eine brandneue Studie:

Allerorten greifen populistische Parteien nach der Macht. Was macht diese Parteien für die Wähler so interessant, was suchen diese bzw. meinen es in diesen Parteien zu finden? Dieser Frage ging die Bertelsmann-Stiftung nach, und die Autoren dieser repräsentativen „Europinions“-Studie befragten in 28 EU-Mitgliedsstaaten knapp 15.000 Menschen zu den Themen Globalisierung, wirtschaftliche Aussichten und Unterstützung traditioneller Werte.

Im Ergebnis tritt besonders die Globalisierungsangst hervor. 55% sehen die wachsende internationale Verflechtung als Chance, für 45% stellt dies eine Gefahr dar. Traditionelle Werte sind für 46% der deutschen Wähler von neuen Rechten wichtig, in Frankreich für 67% der FN-Anhänger. Diese kurzen Schlaglichter aus der Studie zeigen erste Ansätze, was für die Wähler von Bedeutung ist. Die Presseerklärung bietet eine Zusammenfassung, die komplette Studie mit dem Titel "Globalisierungsangst oder Wertekonflikt? Wer in Europa populistische Parteien wählt und warum" finden Sie hier.

Erste Einschätzungen zur Studie finden sich beispielsweise in ZEIT, FAZ oder Spiegel.

Länderstudien: Österreich / FPÖ

Zusammenfassung der Referatsgruppe

Jörg Haider als zentrale Identifikationsfigur der FPÖ
  • *26 Januar in 1950 in Goisern, Oberösterreich
  • Vater war Mitglied der NSDAP
  • 1979 Einzug in den österreichischen Nationalrat als jüngster Abgeordneter
  • 1983 Obmann der Kärntner FPÖ
  • 1986 Vorsitzender der FPÖ
  • 1989 Landeshauptmann von Kärnten, verlor das Amt aber wieder durch folgende Aussage: „Na, das hat’s im Dritten Reich nicht gegeben, weil im Dritten Reich haben sie ordentliche Beschäftigungspolitik gemacht, was nicht einmal Ihre Regierung in Wien zusammenbringt. Das muss man auch einmal sagen.
  • 1999 FPÖ gewinnt mit Haider als Spitzenkandidat die Wahl zum Kärntner Landtag mit 42,09%, Haider wird Landeshauptmann
  • 2000 Rücktritt als FPÖ-Vorsitzender
  • Pflegt Freundschaft mit Saif al-Islam al-Gaddafi, besuchte Saddam Hussein
  • 2005 Gründung der BZÖ
  • 2008 Haider stirbt durch einen Autounfall, bei dem er 1,8 Promille im Blut hatte
Erklärungsansätze für den Erfolg der FPÖ
  • Erstarrung des politischen System Österreichs
  • Autoritäre Grundeinstellung der Wähler
Parteigeschichte
  • 1955 Gründung als Nachfolgepartei des „Verbands der Unabhängigen“
  • 1986 Haider übernimmt Parteiführung
  • Entwicklung zu rechtspopulistischer, österreichpatriotischer Volkspartei
  • In den 1990ern zweitstärkste Partei Österreichs; aktuell: drittstärkste Partei
  • Bundesparteiobmann Strache gelang es, Partei auf Niveau der 1990er Jahre zu stabilisieren (ca.20%)
  • kein Ende des Rechtspopulismus in Österreich durch den Tod Haiders
  • FPÖ ist kein vorübergehendes Politikphänomen, sondern eine Konstante der österreichischen Innenpolitik
Regierungsbeteiligungen der FPÖ
  • 1983-1986: Rot-blaue Koalition (SPÖ/FPÖ)
  • 2000-2006: „Wenderegierung“ (ÖVP/FPÖ)
  • Brachte internationale Schlagzeilen + Sanktionen der EU
  • Massive Korruption bei Privatisierungen, notwenige Reformen im Pensions- und Sozialsystem
  • 2005: Spaltung BZÖ und FPÖ
FPÖ in der Opposition
  • Mitbestimmen in Regierungspolitik gelingt seit Haider auch von der Oppositionsbank aus
  • Dominiert Integrations- und Migrationsdiskurs in Österreich
Wähler
  • Männlich (29% der männlichen Wähler)
  • Einfache, nicht akademische Ausbildung
  • Modernisierungsverlierer
  • Stärkste Partei bei ArbeitnehmerInnen
Funktionärskader
  • Zentral und straff organisiert
  • Freisinnige, national gestimmte Liberale aus selbständigen Berufen
Vergleich AfD und FPÖ
  • Viele Ähnlichkeiten im Aufstieg beider Parteien
  • Verunglimpfung der Medien als Lügenpresse
  • Talkshows beschäftigen sich nur noch mit Partei anstatt mit Sachfragen
  • Bieten von Alternativen für die scheinbare Alternativlosigkeit mancher Themen (EU/ Flüchtlingskrise)
  • Haider: „Man muss Wahlen gewinnen.“
Bundespräsidentenwahl 2016

Im ersten Wahlgang am 24. April 2016 standen sechs Kandidaten zur Wahl, davon konnten sich Alexander van der Bellen von den Grünen (21,3% der Stimmen) und Norbert Hofer von der FPÖ (35,1% der Stimmen) für die Stichwahl qualifizieren. Bei der Stichwahl am 22. Mai 2016 setzte sich Alexander van der Bellen hauchdünn mit 50,35% der Stimmen gegen Norbert Hofer durch (49,65%). Dieses Ergebnis wurde jedoch (auf Hinweis der FPÖ) aufgrund von Unregelmäßigkeiten, vor allem durch zu frühe Stimmauszählung, annulliert. Der Verfassungsgerichtshof hat daraufhin die Wiederholung der Wahl im Oktober angeordnet. Wegen fehlerhafter Briefumschläge konnte die Wiederholung nicht stattfinden, da die bereits per Briefwahl eingeschickten Stimmen für ungültig erklärt wurden. Die Wahl wurde auf den 4. Dezember 2016 verschoben.

Donnerstag, 1. Dezember 2016

Rechtspopulismus im Vergleich: AfD und FPÖ

Ihre Kommilitonin Frau Fulde empfiehlt einen lesenswerten Beitrag auf Zeit Online:

Interne Streitereien, Konflikte, Spaltungen, aber trotzdem erfolgreich und beliebt im Volk. Dieses Phänomen der AfD, die Phrasen, Themen und Strategien erinnern sehr an den Aufstieg, den die FPÖ schon vor 25 Jahren erlebte. Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede und was Deutschland aus der Geschichte der FPÖ lernen könnte, stellt Thomas Meyer in seinem Artikel "Was AfD und FPÖ gemeinsam haben" anschaulich dar.

Mittwoch, 30. November 2016

Länderstudien: Frankreich / FN

Zusammenfassung der Referatsgruppe

Der Front National (FN) wurde 1972 als Zusammenschluss mehrerer nationalkonservativer politischer Gruppen unter anderem von Jean-Marie Le Pen gegründet. Mit dem Wechsel an der Parteispitze von Jean-Marie Le Pen zu seiner Tochter Marine Le Pen wandelte sich die Politik des FN. Marine Le Pen wandte sich gegen die rassistischen und antisemitistischen Einstellungen ihres Vaters und versuchte, die Partei in die rechte Mitte zu rücken, um sie anschlussfähig zu machen.

Es gibt aber auch viele Kontinuitäten. Hauptmerkmale des FN heute sind - neben der für Populisten grundlegenden Anti-Establishment-Ausrichtung - eine Anti-Islam-, Anti-Einwanderung- und Anti-Integration-Position. Die Partei bezeichnet sich als patriotisch, national und souveränistisch und sieht sich weder rechts noch links positioniert.

Die Kernaussage der FN-Ideologie beschreibt den Identitätsanspruch mit der Forderung: „Franzosen zuerst!“ Weitere Programmpunkte sind der Austritt aus der EU und der NATO sowie die Nationalisierung der Banken, Rüstungsindustrie und anderer Wirtschaftszweige.

Die rechtspopulistische Partei erlebte in den letzten Jahren einen Aufschwung, der sich in je 2 Sitzen in der Nationalversammlung und im Senat sowie in 24 Sitzen im Europaparlament widerspiegelt. Wie lässt sich dieser Aufschwung erklären?

Freitag, 25. November 2016

APuZ: Aufsatz zum Front National

Die aktuelle Ausgabe von "Aus Politik und Zeitgeschichte" (APuZ 48/2016) beschäftigt sich mit Frankreich und umfasst einen lesenswerten Beitrag von Jean-Yves Camus mit dem Titel: "An der Schwelle zur Macht? Der Front National zwischen Normalisierung und Isolation". Zur Einordnung der FN-Programmatik schreibt der Autor:
"In der Tat steht der FN für einen identitären Populismus, der sich antiparlamentarischer Allgemeinplätze bedient, indem er den "gesunden Menschenverstand" des als organische Einheit definierten Volkes der vermeintlichen Fehlentwicklung der Eliten entgegenstellt, die die Demokratie in Beschlag genommen hätten. Das Konzept des Rassismus, das eine Rangordnung der ethnischen Gruppen begründet, wird ersetzt durch einen anderen Gegensatz: jener zwischen "uns", den "Urfranzosen", die allein die historische Legitimation besitzen, sich auf französischem Boden aufzuhalten, und "ihnen", den Immigranten und Ausländern im Allgemeinen. Diese können allenfalls die französische Staatsbürgerschaft erlangen, wenn sie kulturell europäisch geprägt sind und sich assimilieren, was im Falle einer außereuropäischen Herkunft jedoch selbst durch einen Willensakt nicht gelingen kann. Hinzu kommen der ausgeprägte Souveränismus des FN, der sich im Bestreben äußert, Frankreich aus der Europäischen Union herauszuführen, um insbesondere die Kontrolle über die Staatsfinanzen und die Außenpolitik wiederzuerlangen, sodass das Konzept des Nationalpopulismus die Identität des FN heute am besten beschreibt."
Zu den Wählern des FN führt Camus aus:
"Die am 6. Dezember 2015 veröffentliche Studie "Régionales 2015: sociologie des électorats et profils des abstentionnistes" des Markt- und Meinungsforschungsinstituts IPSOS zeigt, dass der FN bei den Regionalwahlen 2015 vor allem die unteren Bevölkerungsschichten anzog: So stimmten im ersten Wahlgang 43 Prozent der Arbeiterschaft, 36 Prozent der Angestellten sowie 36 Prozent der Wähler ohne Abitur für den FN. Doch konnte die Partei auch einen großen Teil der Mittelschicht für sich gewinnen: Rund 30 Prozent der Beschäftigten des öffentlichen Dienstes stimmten für den FN; darüber hinaus konnte er mit einem Stimmenanteil von 35 Prozent bei Selbstständigen und Landwirten die traditionelle Dominanz der Konservativen bei dieser Wählergruppe angreifen. Neu war auch die starke Zustimmung unter leitenden Angestellten (17 Prozent) und Absolventen eines "Bac+2" oder eines höheren Bildungsabschlusses (23 Prozent). Dies erschüttert den seit den 1980er Jahren gleichlautenden Befund einer negativen Korrelation zwischen der Wahlentscheidung für den FN und dem Bildungsabschluss."

Mittwoch, 23. November 2016

Länderstudien: Frankreich / FN

Zusammenfassung der Referatsgruppe

Der Front National - auf dem Weg an die Macht?

Die französische Partei „Front National“ (FN) ist rechtspopulistisch und bezeichnet sich selbst als national und patriotisch. Seit Marine Le Pen 2011 zur Vorsitzenden gewählt wurde, distanziert sie sich von Antisemitismus und Rassismus, jedoch kann man der Partei weiterhin eine Anti-Islam-Haltung nachweisen. Ihre wichtigste Forderung lautet: „Franzosen zuerst“. Die weiteren Ziele sind ähnlich die der anderen rechtspopulistischen Parteien, so zum Beispiel ein Austritt aus dem Schengen-Raum und aus dem Euro.

Seit den Wahlen 2012 ist der FN die drittstärkste Kraft in Frankreich, und für die Wahlen 2017 wird ihnen sogar ein Ergebnis um die 30% prognostiziert. Dieser Erfolg lässt sich an mehreren Faktoren festmachen. Zum einen daran, dass der FN die Ablehnung der etablierten Parteien am besten verkörpert, zum anderen am Hochhalten "einfacher Werte". Außerdem spielt es auch eine große Rolle, dass der FN es geschafft hat, auch auf kommunaler Ebene Erfolge zu feiern und sich dort eine breite Basis aufzubauen.

Bei den Wahlen 2012 kamen die meisten Wähler des FN aus der Mittel- bzw. Unterschicht. So stimmten 36% der ungelernten Arbeiter und 33% der Facharbeiter für Marine Le Pen, 21% unter einfachen Angestellten, insbesondere im Dienstleistungssektor, sowie 30% der Frauen, die als ungelernte Angestellte im Handel beschäftigt sind, einen festen Job aufgegeben haben, um Mutter und Hausfrau zu werden oder arbeitslos bzw. im Ruhestand sind.

Das Thema des folgenden Videos (Weltspiegel) ist, wie der FN es schafft, junge, intelligente Menschen für sich zu gewinnen, und wie der Erfolg auf kommunaler Ebene zu erklären sein kann: http://www.daserste.de/information/politik-weltgeschehen/weltspiegel/videos/frankreich-die-rechte-marschiert-100.html

Montag, 21. November 2016

Aktuelle Studien zum Populismus

Auf gleich zwei Studien zum Populismus gilt es hinzuweisen: Das britische Meinungsforschungsinstitut YouGov hat vor ein paar Tagen eine Studie zum "authoritarian populism" in zwölf EU-Staaten veröffentlicht. Eine Zusammenfassung gibt es auf der YouGov-Website unter dem Titel "Trump, Brexit, Front National, AfD: branches of the same tree":
"'Authoritarian populism' is an emerging force among voters across Europe and could be the defining political phenomenon of the next decade."
Deutschland schneidet in dieser Studie vergleichsweise gut ab, was auch den Tenor der Presseberichte bildet (z.B. Zeit Online oder Süddeutsche Zeitung). In der SZ heißt es:
"Eine große Ausnahme stellt Deutschland dar: In keinem der großen EU-Staaten sind der Studie zufolge die Menschen weniger empfänglich für solche Politik als hierzulande. Lediglich 18 Prozent der deutschen Wähler teilen demnach politische Überzeugungen, die von populistischen Parteien - beispielsweise der AfD - bedient werden. In Polen hingegen sind es 78 Prozent, in Frankreich 63 Prozent und in den Niederlanden 55 Prozent."
Bei der zweiten, heute veröffentlichten Studie handelt es sich um die diesjährige Mitte-Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, die den Titel trägt: "Gespaltene Mitte - feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2016" (Andreas Zick / Beate Küpper / Daniela Krause). Eine Zusammenfassung zentraler Ergebnisse steht in einem achtseitigen pdf-Dokument zur Verfügung. Noch kürzer ist die heutige Pressemitteilung auf der FES-Website: "Studie zeigt Stabilität rechtsextremer und -populistischer Einstellungen".

Sonntag, 20. November 2016

Arte: Populismus in Polen

Ihr Kommilitone, Herr Pauls, empfiehlt Ihnen eine Reportage zu Polen in der Arte Mediathek, die nicht nur für die entsprechende Referatsgruppe von Interesse sein dürfte: "Noch ist Polen nicht verloren" ...

Dienstag, 15. November 2016

Länderstudien: Deutschland / AfD

Zusammenfassung der Referatsgruppe

Entwicklung der AfD

2013
  • Gründung in Berlin (Gründer: Bernd Lucke) als Reaktion auf die Euro-Rettungspolitik
  • Kein Einzug ins Parlament bei der Bundestagswahl 2013
2014
  • Einzug ins Europaparlament (7 Sitze)
  • Einzug in die Landesparlamente in Sachsen, Brandenburg und Thüringen (~ 10%)
2015
  • Einzug in die Landesparlamente in Hamburg und Bremen (~ 6%)
  • Gründung des Vereins „Weckruf 2015“ (Ziel: Erhaltung der AfD als politische Partei)
  • Juli 2015: Essener Parteitag: Petry bekommt 60% der Stimmen, es folgt ein Führungswechsel, Lucke tritt aus = Rechtsruck der Partei
  • Weckruf 2015 wird zu ALFA (Allianz für Fortschritt und Aufbruch)
 2015/2016
  • Flüchtlingskrise begünstigt den Aufstieg der AfD. Umfragewerte: > 10%
2016
  • Einzug in die Landesparlamente in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt (Frühjahr) sowie Berlin und Mecklenburg-Vorpommern (Herbst)
Ziele für 2017: Als starke Opposition in den Bundestag einziehen

Aktuelle Studie zur AfD

Wie viel Unterstützung hat die Alternative für Deutschland? Wer sind die WählerInnen der AfD? Welche Anliegen haben diese? Auf diese Fragen versucht die Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) eine Antwort zu geben (Stand 24.08.2016). Sie kommt zu folgendem Schluss:
„Die AfD zieht derzeit vor allem AnhängerInnen unter ehemaligen NichtwählerInnen und WählerInnen rechtsextremer Parteien an, aber auch für die Parteien Die Linke und FDP stellt die noch junge Partei eine Konkurrenz dar. Im Einklang mit der deutlich stärkeren rechtspopulistischen Ausrichtung und der Fokussierung auf das Thema Migration steht der Befund, dass die AfD insbesondere unter Personen auf „offene Ohren“ stößt, die sich politisch rechts verorteten, Unzufriedenheit mit der Demokratie in Deutschland und große Sorgen um Zuwanderung äußerten.“
Die genauen Ergebnisse der Studie und Vergleiche mit den Jahren 2014 und 2015 unter folgendem Link: https://www.diw.de/documents/publikationen/73/diw_01.c.541584.de/16-34-1.pdf

Rede von Björn Höcke

Björn Höcke ist ein Politiker der AfD, der immer wieder durch umstrittene Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht hat. Er ist außerdem seit den Landtagswahlen 2014 AfD-Fraktionsvorsitzender im Thüringer Landtag. Die folgende Rede vom 26.10.16 auf einer AfD-Demonstration in Erfurt unter dem Motto „Grenzen schützen- soziale Sicherheit schaffen“ zeigt exemplarisch die rechtspopulistische Rhetorik:

Sonntag, 13. November 2016

@NeinQuarterly zum Stand der Dinge


Samstag, 12. November 2016

Trump: Populismus und Medien

Nach dem - vorsichtig formuliert - unerwarteten Wahlsieg Donald Trumps herrscht kein Mangel an Lesestoff zum Thema Populismus, darunter auch erstaunlich tiefgreifende Kommentare (z.B. die Abgesänge auf die liberale Variante der Demokratie von den BBC-News oder Zeit Online). Hervorheben möchte ich einen Beitrag des Tübinger Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen, der nach der Schuld der Medien fragt ("Die Schuldfrage"):
"Das ist die Lehre, die man aus all dem ziehen kann: Fernsehmacher und Populisten sind durch ein gemeinsames Geschäftsinteresse miteinander verbunden. Der eine will vorkommen, will möglichst kostenfrei Sendezeit zur Verbreitung der eigenen Botschaften akquirieren; die andere Seite braucht die Figur des schillernden Provokateurs als Quotenbringer und Aufmerksamkeitsgarant. Beide Seiten glorifizieren das Extrem."
Und was ist zu tun? Pörksen empfiehlt Mäßigung:
"Diese Wahl war und ist das Siegesfanal eines aggressiven Populismus. Die noch viel zu häufig schweigende Mehrheit der Gemäßigten muss sich überlegen, wie sie wirksame Diskurs- und Dialogformen erfindet, die einerseits wirksam sind, andererseits nicht darauf hinauslaufen, den Gegner zu imitieren. Mäßigung – das wäre in einem toxisch gewordenen Kommunikationsklima das Gebot der Stunde und die zentrale Bildungsherausforderung unserer Zeit."

Sonntag, 6. November 2016

ZDF-Doku über junge Amerikaner vor der Wahl

Ein Beitrag von Sabine Schreck

Das ZDF hat eine Dokumentation über junge Amerikaner*innen vor der Wahl in Kooperation mit dem bekannten 22jährigen YouTube-Star Felix von der Laden ausgestrahlt: "Like or Dislike? YouTuber Dner im US-Wahlkampf“:



Am 8. November ist es soweit: Amerika wählt einen neuen Präsidenten oder eine Präsidentin, entschieden wird zwischen Donald Trump und Hillary Clinton, die sich im Vorfeld eine Wahlschlacht ohnegleichen geliefert und Fehler begangen haben und unter einigen Amerikaner*innen umstritten sind: "Trump ist eine körperliche Bedrohung für viele Menschen, Hillary wenigstens nur ein Stück Scheiße", so liest man in den Sozialen Medien über die Präsidentschaftskandidatin Clinton und ihren Konkurrenten Trump.

Um den Blick auf die Meinung der U30-Wählerschaft Amerikas zu richten, die etwas mehr als ein Drittel der Wahlberechtigten ausmacht, greift das ZDF für eine Dokumentation auf einen jungen deutschen YouTube-Star zurück und schickt Felix von der Laden, kurz Dner, nach Amerika. Dieser stellt sich vor Ort mit jungen Amerikaner*innen den Fragen: Was beschäftigt die Jugend Amerikas? Wie stehen sie zu Politik und interessieren sie sich dafür?

Welche Wünsche und Ängste beschäftigen junge Amerikaner*innen vor der Wahl? Mit welchen Themen und Versprechungen lassen sie sich überzeugen? Wem würden sie ihre Stimme (nicht) geben und warum? Hierzu reist Dner durch ganz Amerika, trifft sich mit unterschiedlichen jungen Menschen, Schüler*innen, politisch Engagierten, Gamer*innen und YouTube-Stars wie er selbst, in ländlichen Gegenden ebenso wie in Großstädten und auf einem Festival.

Felix von der Laden postet in seinem YouTube-Channel über die Doku:
"Zusammen mit dem ZDF bin ich zwei Wochen lang quer durch die USA gereist, um die Stimmen der jungen Menschen in den United States kurz vor der Präsidentschaftswahl einzufangen. Donald Trump versus Hillary Clinton - für wen (oder gegen wen) votet das junge Amerika? Und haben die überhaupt eine echte Wahl? Das Ergebnis, diese ZDF Dokumentation, darf ich euch auch auf meinem Kanal zeigen. Vielen Dank für die tolle Zusammenarbeit an das ZDF und Nordend Film!"

Freitag, 4. November 2016

18 Erklärungsansätze für das Phänomen Trump

Kurz vor der Präsidentenwahl in den USA sammelt Lenz Jacobsen auf Zeit Online 18 Erklärungsansätze für den Erfolg Donald Trumps. Sein Artikel, der voller weiterführender Verweise steckt, trägt den Titel "Das Trump-Puzzle". Einige der alphabetisch sortierten Erklärungen sind US-spezifisch, andere wiederum verweisen auf wichtige Ursachen und Dimensionen von (Rechts-)Populismus im allgemeinen:
Marc Nozell, Donald Trump Approves 2016, CC BY 2.0

Abstiegsangst
Angstpolitik
Aussehen
Autoritarismus
Globalisierung
Heimat
Internet
Hillbillys
Konjunktur
Land gegen Stadt
Liberale Arroganz
Medien
Psychologie
Polarisierung
Postfaktische Öffentlichkeit
Rassismus
Republikaner
Tyrannei

Dienstag, 1. November 2016

"The long read" zum Thema Populismus

Die Artikel, die im Guardian unter der Rubrik "The long read" erscheinen, zählen zum besten, was die Presselandschaft zu bieten hat. Bereits im Mai 2016 hat Jonathan Freedland in dieser Serie einen hervorragenden Artikel zu Donald Trump veröffentlicht (siehe hier), nun sind gleich zwei äußerst lesenswerte Beiträge erschienen, die sich mit dem Phänomen Populismus im allgemeinen (1) und mit dem neuen Rechtspopulismus am Beispiel Frankreichs, Dänemarks und der Niederlande (2) befassen:
  • (1) John B. Judis: Us v Them: the birth of populism (Link
  • (2) Sasha Polakow-Suransky: The ruthlessly effective rebranding of Europe's new far-right (Link)

Dienstag, 25. Oktober 2016

Spiegel-Gespräch mit Jan-Werner Müller

Nach den beiden ausführlichen Interviews in brandeins und der Zeit, auf die ich in einem früheren Beitrag hingewiesen habe, hat nun auch der Spiegel ein Gespräch mit dem Demokratietheoretiker und Populismus-Experten Jan-Werner Müller geführt, das unbedingt lesenswert ist. Man darf sich von dem - milde ausgedrückt - etwas unglücklich gewählten Titel des Artikels (und von den 39 Cent) nicht abschrecken lassen: "Gehört Boateng wirklich zu uns?"

Montag, 24. Oktober 2016

Interview zum Populismus mit Christian Kern

Die Zeit hat den Bundeskanzler Österreichs, Christian Kern, interviewt. Natürlich ging es im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl um Populismus und FPÖ:
"Ich habe mit vielen gesprochen, die FPÖ wählen, und gefragt, ob sie wirklich glauben, dass dadurch etwas besser wird. Die werden nämlich gar nichts für sie tun. Die Antwort dieser Leute war immer wieder: Eh nicht, aber darum geht’s mir gar nicht. Sie wollen das System und die Eliten auf den Knien sehen. Weil sie sich deklassiert, ausgeschlossen und nicht ernst genommen fühlen."
Das ganze Interview finden Sie hier...

Freitag, 21. Oktober 2016

Organisatorischer Hinweis

Wegen der großen Teilnehmerzahl hat die Abteilung Politikwissenschaft beschlossen, dass das Seminar noch zu einem weiteren Zeitpunkt angeboten wird. Der neue zusätzliche Termin ist:

Mittwoch 18.00 - 19.30 Uhr, Raum 1.256

Möglichst alle, denen es möglich ist, das Seminar zu dem späteren Zeitpunkt zu besuchen, sollten von dieser Möglichkeit Gebrauch machen, damit das Seminar um 14 Uhr entlastet wird.

Donnerstag, 6. Oktober 2016

(Demokratieschädlichen) Populismus von (demokratiebelebendem) Protest abgrenzen

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Aus Politik und Zeitgeschichte" (APuZ 40-42/2016) zum Thema "Repräsentation in der Krise?" findet sich ein lesenswerter und für das Thema dieses Blogs unmittelbar einschlägiger Essay von Jan-Werner Müller: "Populismus. Symptom einer Krise der politischen Repräsentation?". Einmal mehr plädiert Müller dafür, genau hinzusehen und nicht vorschnell mit dem Etikett "Populist" um sich zu werfen:
"Wirklicher Populismus – der sich daran erkennen lässt, dass seine Vertreter behaupten, sie und nur sie repräsentierten das wahre, immer als homogen gedachte Volk – ist für die Demokratie gefährlich. Populisten sind immer antipluralistisch; die Demokratie ist aber nur in pluralistischer Form zu haben." (S. 24) 
Es geht ihm in diesem Beitrag in erster Linie um die Grenze zwischen legitimem Protest (Podemos, Syriza, AfD zu Beginn), der durchaus demokratieförderlich sein kann, und populistischem Protest, der die Demokratie gefährdet (Trump, Orban, Le Pen, Erdogan, Wilders, AfD heute).
"In jeder Demokratie ist es legitim, gegen regierende Parteien zu protestieren oder auch zu monieren, dass existierende Oppositionsparteien die Interessen und Identitäten vieler Bürger nicht überzeugend verträten. Friedlicher Protest, der nicht wie bei den Populisten auf einem moralischen Alleinvertretungsanspruch des angeblich "wahren Volkes" beruht, ist nicht automatisch undemokratisch oder ein Symptom einer tiefen Krise – das Gegenteil ist der Fall. Dies lässt sich erneut am spanischen Beispiel verdeutlichen: Hier konnte Podemos als neue Gruppierung Wähler an die Urnen bringen, die sich bisher gar nicht am politischen Prozess beteiligt hatten und die auch in der bestehenden radikalen Linkspartei Izquierda Unida kein plausibles Politik- beziehungsweise Protestangebot fanden. Die erhöhte Beteiligung ist erst einmal ein Gewinn für die Demokratie." (S. 26/27)
Demgegenüber sind "echte" Populisten immer unvereinbar mit Demokratie. Wie sie zu erkennen und abzugrenzen sind, dazu schreibt Müller:
"Populist ist nur, wer den Anspruch stellt, er und nur er vertrete das wahre Volk – mit der Folge, dass politische Mitbewerber eigentlich alle illegitim seien, beziehungsweise dass Bürger, die dem populistischen Führer die Unterstützung verweigern, gar nicht wirklich zum Volk gehören. Man denke an eine Äußerung des republikanischen Präsidentschaftskandidaten in den USA, Donald Trump, die angesichts der vielen skandalösen Dinge, die der Milliardär ständig von sich gibt, kaum beachtet wurde, aber seine populistische Sichtweise auf die Politik eindeutig belegt. Trump sagte bei einer Wahlkampfveranstaltung im Mai 2016: "The only thing that matters is the unification of the people, and all the other people don’t matter." "Das Einzige, was zählt, ist die Einheit des Volkes" – das klingt eher harmlos im Vergleich zu dem, was er sonst so alles sagt. Entscheidend ist aber der zweite Teil des Satzes: "All die anderen Menschen zählen gar nicht." Es gibt demnach also ein wahres Volk und einen einzigen wahren Vertreter dieses Volkes – nämlich Trump. Wer gegen ihn ist, ist automatisch nicht Teil des wahren Volkes und zählt damit moralisch und vor allem auch politisch nicht. Ein anderes Beispiel ist eine rhetorische Frage Recep Tayyip Erdoğans an seine Kritiker 2014: "Wir sind das Volk, wer seid ihr?" Das ist ein Alleinvertretungsanspruch, der mit Demokratie, die notwendigerweise pluralistisch ist, schlicht nicht kompatibel ist." (S. 28)

Sonntag, 4. September 2016

Jan-Werner Müller im Interview

Jan-Werner Müllers Essay "Was ist Populismus?" (Suhrkamp & bpb) bildet einen zentralen Referenzpunkt der aktuellen Debatte über (Rechts-)Populismus und wurde an dieser Stelle bereits mehrfach hervorgehoben.

Müller nähert sich der Thematik demokratietheoretisch und warnt vor psychologisierenden und soziologisierenden Verkürzungen. Auf eine interessante Diskussion seiner Thesen wurde in diesem Blog vor kurzem hingewiesen.

Im Zentrum steht die Aussage, dass Populisten anti-elitär sind - eine Selbstverständlichkeit -, vor allem aber, dass hierzu noch der Anti-Pluralismus als zentrales Definitionskriterium treten muss. Populisten sprechen für das "wahre Volk", was im Umkehrschluss bedeutet, dass diejenigen, die von sich sagen, dass die Populisten nicht für sie sprächen, nicht zum "Volk" gehören.

In zwei ausführlichen Interviews mit Müller versucht der Politikwissenschaftler, diese zentrale These zu verdeutlichen und zu verteidigen. Beide Interviews sind außerordentlich lesenswert:

Sonntag, 14. August 2016

Brexit, Migration und Globalisierung

Ausgehend vom Brexit-Referendum und Erklärungen für dessen Ausgang versucht Alexander Betts, ein Experte für Migrationspolitik, diese Erkenntnisse in einen größeren Kontext einzuordnen. Dieser Kontext ist unmittelbar relevant für die Thematik dieses Blogs, den Populismus, dessen Ursachen und mögliche Gegenstrategien:
"We are embarrassingly unaware of how divided our societies are, and Brexit grew out of a deep, unexamined divide between those that fear globalization and those that embrace it, says social scientist Alexander Betts. How do we now address that fear as well as growing disillusionment with the political establishment, while refusing to give in to xenophobia and nationalism? Join Betts as he discusses four post-Brexit steps toward a more inclusive world."

Donnerstag, 11. August 2016

Angry White Men - Rechtspopulismus in den USA

Marc Nozell, Attendees at Trump rally Nashua 2015, CC BY 2.0
Donald Trump verstehen zu wollen, scheint mir ein aussichtsloses Unterfangen zu sein. Das gilt aber nicht für die Erklärung seines Erfolgs und die Analyse seiner Anhängerschaft, der angry white men. Über diese hat der Soziologe Michael Kimmel bereits 2013, also vor der "Ära Trump", ein beeindruckendes Psycho- und Soziogramm verfasst mit dem Titel "Angry White Men. American Masculinity at the End of an Era", das 2015 in deutscher Übersetzung erschienen (Orell Füssli Verlag) und nun auch als Lizenzausgabe bei der Bundeszentrale für politische Bildung erhältlich ist.

Der (nichtssagende) deutsche Untertitel "Die USA und ihre zornigen Männer" unterschlägt leider eine entscheidende Komponente des Buches, nämlich die Analyse der Krise (des Ideals) der Männlichkeit in den USA - einem Thema, dem der Geschlechterforscher Kimmel bereits mehrere Bücher gewidmet hat und ohne das der Zorn der weißen Männer nicht erklärt werden kann.

Insofern stellt die Tatsache, dass ausgerechnet Trump als Sprachrohr der angry white men gegen eine Frau und geradezu idealtypische Vertreterin des Establishments, Hillary Clinton, im Präsidentschaftswahlkampf antritt, die größtmögliche Zuspitzung dar. Vor diesem Hintergrund sind dann auch Trumps Andeutungen zur (Waffen-)Gewalt gegen Clinton oder Rufe der Anhänger bei Wahlkampfveranstaltungen Trumps zu sehen ("kill the bitch").

Woher kommt dieser Zorn, der sich in solchen und ähnlichen Äußerungen und Taten Bahn bricht? Das ist die entscheidende Frage, auf die das Buch sehr vielschichtige und erhellende Antworten gibt. Will man diese Antworten in einem Satz zusammenfassen, dann käme der folgende in Frage (S. 39):
"Es ist dieses Gefühl, nicht zu bekommen, was einem angeblich zusteht, das ich als 'kränkende Enteignung' bezeichne und das meiner Ansicht nach für die neue Art zorniger weißer Männer in Amerika kennzeichnend ist."
Nahezu prophetisch erscheint heute, was Kimmel über die mobilisierende Wirkung dieses Zorns schreibt (S. 42):
"Der Zorn über eine kränkende Enteignung kann politisch mobilisierend wirken. Doch diese Mobilisierung ist oft nicht zukunftsorientiert, sondern rückwärtsgewandt, weil sie das Verlorene wiederherstellen will. Dies führt unweigerlich zu einer verzerrten Sicht der Dinge und zu einem fehlgeleiteten Zorn, der oft sozial schwächere Gruppen trifft, weil diese nach Ansicht des Gekränkten bekommen, was er verdient hätte."

Samstag, 6. August 2016

Warum Populisten die "Lügenpresse" brauchen

Opposition24.de, Pegida Banner, Lügenpresse Banner, CC BY 2.0
Kurz gesagt benötigen Populisten den Vorwurf von der "Lügenpresse" (oder auch "Systempresse") sowie verwandte Verschwörungstheorien ("schweigende Mehrheit" etc.) aus logischen Gründen. Beispielhaft sei auf die Argumentation von Jan-Werner Müller hingewiesen, der in seinem an dieser Stelle bereits mehrfach hervorgehobenen Essay "Was ist Populismus?" (Suhrkamp & bpb) schreibt:
"Meine These lautet, dass Kritik an Eliten ein notwendiges, aber kein hinreichendes Kriterium für die Bestimmung von Populismus ist. Mit anderen Worten: 'Anti-Establishment-Attitüde' greift zu kurz. Zum Anti-Elitären muss noch das Anti-Pluralistische hinzukommen. Was ich als den Kernanspruch aller Populisten bezeichnen möchte, lautet stets ungefähr so: 'Wir - und nur wir - repräsentieren das wahre Volk'." (S. 26)
Und damit kommen wir zum zentralen Problem der "inneren Logik" des Populismus: Wie lässt sich erklären, dass man zwar den "einheitlichen Volkswillen" repräsentiert, aber bei Wahlen nicht nur keine Mehrheit bekommt, sondern sich mit beschämenden Bruchteilen zufriedengeben muss!? Hier kommt nun neben anderen Verschwörungstheorien die "Lügenpresse" als Lösungsversuch ins Spiel. Die Rolle von Wahlen wird nicht anerkannt, neben dem empirischen gibt es für Populisten ein "moralisches" Wahlergebnis. Dazu wieder Müller:
"In der Demokratie darf prinzipiell jeder für sich reklamieren, eine bestimmte Gruppe zu repräsentieren (beispielsweise indem er eine Partei gründet), dafür muss sich aber auch jeder dem einzigen 'Volksurteil' beugen, das sich wirklich empirisch nachweisen lässt: dem Wahlausgang." (S. 63)
Genau das tut der Populist nicht. So hat beispielsweise Viktor Orbán nach einer Wahlschlappe gesagt, die Nation könne nicht in der Opposition sein. Noch einmal Müller:
"Die Stimmanteile entscheiden darüber, wer die Bürger repräsentiert (...). Das mag wie eine Banalität klingen, ist aber von entscheidender Bedeutung in Auseinandersetzungen mit Populisten, die behaupten, den Willen des Volkes zu repräsentieren und zu vollstrecken - in Wirklichkeit jedoch eine symbolische Repräsentation des angeblich 'wahren Volkes' instrumentalisieren, um demokratische Institutionen, die dummerweise nicht von Populisten dominiert werden, zu diskreditieren." (S. 19)
Dass die "Lügenpresse" in dieser Argumentation nicht einen Faktor unter mehreren bildet, sondern eine zentrale Rolle spielt, darauf macht John David Seidler in dem kürzlich erschienenen und äußerst lesenswerten Aufsatz "LÜGENPRESSE! Medien als Gegenstand von Verschwörungstheorien" (APuZ 30-32/2016, S. 41-46) aufmerksam:
"Die kritische Rede über Medien impliziert somit ein großes Versprechen: Deutungshoheit. Und zwar nicht bloß über die Medien, sondern über alle Gegenstände, über die Medien berichten. Entsprechend sind "die Medien" für die Rekrutierung und Mobilisierung von Protestbewegungen ein ausgesprochen naheliegender und in einzigartiger Weise universeller Deutungsgegenstand. Er ist (...) für breite Bevölkerungsgruppen anschlussfähig. Welches Problem auch immer beklagt wird – die Rolle der Medien ist dabei immer von Interesse, sofern sie aus Perspektive der Bewegungsakteure typischerweise "falsch" oder zumindest unzureichend über das Problem informieren. (...) Angesichts der Universalität des Deutungsgegenstands Medien, der als Quelle unseres Wissens ja praktisch alle anderen Deutungsgegenstände fundamental betrifft, hat er eine übergeordnete Funktion, die ihn von allen anderen Gegenständen unterscheidet. In diesem Sinne lässt sich pauschale Medienkritik, die "Manipulation" und "Täuschung" eines "betrogenen Volkes" unterstellt, als master frame zur Rekrutierung und Mobilisierung politischer Protestbewegungen bis hin zur Bildung politischer Parteien begreifen. Die radikalste Form dieses Deutungsrahmens, die "Medienverschwörungstheorie", kann deshalb für politische Bewegungen und Organisationen bereits das eigentliche Kernthema ihrer öffentlichen Kommunikation bilden, mit dem sie erfolgreich ihre Anhängerschaft rekrutieren und mobilisieren." (S. 42)

Mittwoch, 3. August 2016

Jan-Werner Müllers Essay "Was ist Populismus?" bei der bpb

Den an dieser Stelle schon mehrfach erwähnten und empfohlenen Essay "Was ist Populismus?" von Jan-Werner Müller kann (und sollte) man sich ab sofort bei der Bundeszentrale für politische Bildung bestellen (Kosten: 4,50 €): http://www.bpb.de/shop/buecher/schriftenreihe/politische-grundfragen/231263/was-ist-populismus

Sonntag, 31. Juli 2016

Die Intellektuellen, die Massen und der Populismus

Der in Stanford lehrende Literaturwissenschaftler Hans Ulrich Gumbrecht hat in seinem Blog für die FAZ am 30.07.2016 einen Beitrag mit dem Titel "Populismus - gegen Trump" veröffentlicht. Darin heißt es:
Was wir Intellektuellen so gerne als “populistisch” verdammen, sind – genauer – Strategien und Gesten, welche potenziell gefährliche Emotionen bei demographisch starken Wählergruppen mit niedrigem Bildungsniveau wecken sollen, um über deren Zustimmung politischen Einfluss und politische Ämter zu gewinnen.

Samstag, 30. Juli 2016

Debatte zu Jan-Werner Müllers Buch "Was ist Populismus?"

Den zentralen Referenzpunkt der gegenwärtigen wissenschaftlichen Debatte zum Populismus im deutschsprachigen Raum bildet der 2016 erschienene Essay "Was ist Populismus?" von Jan-Werner Müller (Suhrkamp). So hat das Theorieblog ein "Buchforum" veranstaltet - eine Debatte über die zentralen Aussagen Müllers. Dieses Buchforum umfasst die folgenden lesenswerten Beiträge: 
  • Daniel Jacob (31.05.2016): Wie populistische Opposition den demokratischen Pluralismus gefährdet (Link) 
  • Richard Gebhardt (02.06.2016): „…but I know it when I see it!“ Ein Kommentar zu Jan-Werner Müllers “Was ist Populismus?” (Link)
  • Dirk Jörke (07.06.2016): Moralismus ist zu wenig. Eine Entgegnung auf “Was ist Populismus?” von Jan-Werner Müller (Link)
  • Jan-Werner Müller (23.06.2016): Und was ist nun Populismus? (Link)

Freitag, 15. Juli 2016

Donald Trump - der Populist schlechthin

Foto: Gage Skidmore; cc-by-sa-2.0
Die Artikel, die im Guardian unter der Rubrik "The long read" erscheinen, zählen zum besten, was die Zeitungslandschaft zu bieten hat. Am 19. Mai 2016 hat Jonathan Freedland in dieser Serie einen hervorragenden Artikel zum Populismus im allgemeinen und Donald Trump im besonderen veröffentlicht, der unbedingt lesens- oder auch hörenswert ist, denn man kann sich den Artikel auch vom Verfasser in feinem Oxford-Englisch vorlesen lassen:

Sonntag, 10. Juli 2016

Podcasts zum Populismus

Die Initiative "Europäische Horizonte" hat vom 30.05.-09.06.2016 eine Vortragsreihe zum Thema "Populismus und Extremismus in Europa" veranstaltet:
Populistische Protestbewegungen, Gruppierungen und Parteien, die antieuropäische Vorbehalte aufgreifen und schüren, erhalten Zulauf. Sie speisen sich aus einem diffusen Unbehagen nicht nur an den Entscheidungen und Institutionen im fernen Brüssel, sondern aus einem generellen Unbehagen an Politik, Staat und Medien. – Antidemokratischer Fundamentalismus, Terrorismus und Gewaltmilieus gewinnen, besonders bei jungen Leuten, eine erhöhte Attraktivität.
Die Reihe umfasste folgende Vorträge, die teilweise von DRadio Wissen als Podcast zur Verfügung gestellt werden (fett gedruckt):
  • 30.05.2016: Populisten verstehen?! Was rechtspopulistische Strömungen stark macht; Prof. Dr. Claus Leggewie, Kulturwissenschaftliches Institut Essen (Podcast bei DRadio Wissen)
  • 31.05.2016 (Achtung: 19:30 Uhr): Populismus und Extremismus in Europa – eine Gefahr für die Demokratie?; Prof. Dr. Frank Decker, Universität Bonn
  • 01.06.2016: Religiöse Gewalt und politische Ordnung Europas. Ein historischer Rückblick aus aktuellem Anlass; Prof. Dr. Heinz-Günther Stobbe, Universitäten Münster und Siegen
  • 02.06.2016: Spiegel der Menschheit? Die Zukunft der Migrationsmaschine Deutschland; Prof. Dr. Volker Heins, Kulturwissenschaftliches Institut Essen (Podcast bei DRadio Wissen)
  • 06.06.2016: Wer wählt extremistisch in Europa? Analyse unter besonderer Berücksichtigung der politischen Entwicklungen in Frankreich; Dr. Ulrike Guérot, European Democracy Lab an der European School of Governance
  • 07.06.2016: Populismus, Rechtspopulismus und Massenmedien; Dr. Paula Diehl, Humboldt-Universität zu Berlin
  • 08.06.2016: Das Unbehagen an der Politik und die Empörung der Bürger – Wie sich die Demokratie verändert; Prof. Dr. Hans Vorländer, Technische Universität Dresden
  • 09.06.2016: Wut, Verachtung, Abwertung – Rechtspopulistische und -extremistische Ansichten in der Mitte der Gesellschaft; Prof. Dr. Andreas Zick, Universität Bielefeld

Sonntag, 26. Juni 2016

Abgrenzung Rechtspopulismus - Rechtsextremismus

Eindeutige Kriterien zur Abgrenzung des überall in Europa erstarkten Rechtspopulismus gegenüber dem Rechtsextremismus gibt es nicht. Dafür sind die rechtspopulistischen "Bewegungen" und Parteien in den verschiedenen europäischen Ländern zu unterschiedlich. Alexander Häusler und Rainer Roeser wagen in ihrem Buch "Die rechten 'Mut'-Bürger" (VSA Verlag 2015) auf Seite 23 die folgende Gegenüberstellung, die zumindest eine erste Orientierung geben kann:

Traditionelle extreme Rechte
"Modernisierte Rechte"
Positiver Bezug auf den Faschismus
Proklamierte Abkehr von der extremen Rechten
Offene Ablehnung der Demokratie
Taktische Befürwortung "direkter Demokratie"
Proklamierter Systemsturz
Transformation der Demokratie nach rechts
Völkischer Rassismus,
Antisemitismus
Ökonomisierung, Kulturalisierung und religiöse Verklausulierung des Rassismus
Feindbilder: Juden, Ausländer, Linke, Europäische Union
Feindbilder: Muslime, Multikulturalismus, linke Hegemonie ("political correctness"), EU-Bürokratie
Bezugspunkte: Rasse, Nation,
Europa der Völker
Bezugspunkte: Tradition, Kultur, Region, Heimat

Freitag, 24. Juni 2016

Themen und Rhetorik der Rechtspopulisten

Die Sprachwissenschaftlerin Ruth Wodak analysiert den Rechtspopulismus in ihrem Buch "Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse" (Edition Konturen 2016) aus diskursanalytischer Sicht. Sie unterscheidet 14 Themenfelder des Diskurses, in denen sich Populisten als selbsternanntes "Sprachrohr" des "wahren Volkes" von den "Anderen" (Eliten, Intellektuelle, Fremde etc.) abgrenzen (vgl. Grafik auf S. 66):
  1. Immigration, Migranten, Asylbewerber
  2. Kulturelle und Familienwerte
  3. Die "Heimat" - die Nation und ihre große Geschichte
  4. Geschlechterpolitik
  5. Die "reine" Sprache - Muttersprache
  6. Globalisierung
  7. Okzident gegen Orient - Christentum gegen Islam und Judentum
  8. Kommunismus
  9. Staatsbürgerschaft und Zugehörigkeit - das "reine Volk"
  10. Sicherheit, Recht und Ordnung
  11. EU- und Euro-Skepsis
  12. Marktwirtschaft
  13. Demokratie und das Volk
  14. Privilegien und Korruption
Offensichtlich überschneiden sich diese Diskurse vielfältig. Je nach Land (mit der jeweiligen Geschichte) und aktueller Situation stehen andere Themen im Vordergrund, insgesamt aber verschafft Wodaks Auflistung einen validen Überblick. Hinzu kommen 9 wichtige Topoi im rechtspopulistischen Diskurs (vgl. Synopse auf S. 69):
  1. Wenn das Volk eine Handlung will / nicht will, dann soll diese Handlung erfolgen / nicht erfolgen.
  2. Wenn ich / wir die Macht habe/n, dann garantiere/n ich / wir für Recht und Ordnung.
  3. Weil die Kultur einer bestimmten Gruppe von Leuten ist, wie sie ist, entstehen spezifische Probleme in spezifischen Situationen.
  4. Wenn eine Person, eine Institution oder ein "Land" durch spezifische Probleme belastet wird, dann sollten Maßnahmen ergriffen werden, um diese Belastung zu verringern.
  5. Wenn eine Gefahr besteht oder naht, dann muss man sich wehren und ihre Ursachen bekämpfen.
  6. Wenn ein "Volk", ein "Land" oder eine Institution in Not ist, dann wird eine bestimmte Person auftauchen und dieses "Volk", "Land" oder diese Institution retten.
  7. Wenn ich / wir die Macht habe/n, dann wird das Volk demokratisch mitbestimmen.
  8. Wenn eine bestimmte Handlung aus einer spezifischen Sicht als nützlich erscheint, dann sollte sie durchgeführt werden.
  9. Wenn eine Handlung in der Vergangenheit einer Person oder einem "Land" gedient / geschadet hat, dann wird es sich in der Gegenwart oder Zukunft ähnlich verhalten.
Die Grundelemente der Rhetorik fasst die Autorin folgendermaßen zusammen (Hervorhebungen im Original, S. 142, 144):
Rechtspopulistische Rhetorik kombiniert mehrere Elemente: spezielle Themen, die angesprochen werden, spezielle Ideologien, die in Äußerungen und Auftritte einfließen, Strategien kalkulierter Ambivalenz und Provokation, mit denen absichtlich ... Skandale erzeugt und wieder deeskaliert werden, sowie ein andauernder Wahlkampfmodus, ein ständig antagonistischer Habitus, der mit den bisher für Verhandlungen und Kompromisse akzeptierten Konventionen nicht vereinbar ist (...). An die Gefühle zu appellieren, ist fester Bestandteil rechtspopulistischer Rhetorik.
All diese Diskurse, Topoi und rhetorischen Mittel haben sich, so die Autorin, bereits in den 1990er-Jahren bei Haider und "seiner" FPÖ in Österreich gezeigt (S. 199f.):
Eine rechtspopulistische Partei vertritt eine Ideologie, die aus revisionistischer Geschichtsschreibung (...), nativistisch-chauvinistischer Konstruktion einer deutschen Kulturnation (...), einwanderungsfeindlicher, islamophober und antisemitischer Rhetorik (...) besteht sowie einer Inszenierung von Politik, die bald die Grenzen zwischen Unterhaltung und ernsthafter Politik verwischen würde - zwischen Fiktionalisierung von Politik und Politisierung von Fiktion (...). [Die rechtspopulistische Rhetorik] richtete sich gegen "die da oben", bestand aus antielitären und antiintellektuellen Kampagnen gegen "Brüssel" und die EU, gegen Korruption und Privilegien der Eliten, unterstützte eine konservative Familien- sowie eine traditionelle Genderpolitik und präsentierte sich als "Retter" des "Mannes und der Frau auf der Straße" oder eines imaginierten homogenen "wahren und echten österreichischen Volks". Unter Haiders Führung stellte sich die FPÖ als national-soziale Bewegung dar und spielte immer wieder deutlich auf nationalsozialistische Parolen an. Alle für rechtspopulistische Ideologien charakteristischen Merkmale (...) waren bereits in den 1990er-Jahren vorhanden (...). Konstruktion von Sündenböcken, Opfer-Täter-Umkehr, Verharmlosung und Leugnung wie auch das Lancieren von Verschwörungstheorien waren (...) unter den häufigsten diskursiven Strategien, die dazu dienten, Wähler und Wählerinnen, Zuhörer oder Zuschauer von "notwendigen" politischen Maßnahmen zu überzeugen. Dazu gehörte die Beschränkung von Einwanderung ..."

Donnerstag, 23. Juni 2016

Ralf Dahrendorf über Populismus

Foto: Library of the LSE, Flickr Commons
In der Zeitschrift Transit hat Ralf Dahrendorf im Jahr 2003 "Acht Anmerkungen zum Populismus" veröffentlicht. Unter anderem gibt er zu bedenken:
"Die Grenze zwischen beiden, Demokratie und Populismus, Wahlkampfdebatte und Demagogie, Diskussion und Verführung ist nicht immer leicht zu ziehen. Es ist daher Vorsicht am Platze bei der Verwendung der Begriffe. Der Populismus-Vorwurf kann selbst populistisch sein, ein demagogischer Ersatz für Argumente."
In diesem Aufsatz findet sich auch die folgende, viel zitierte Passage:
"Populismus ist einfach, Demokratie ist komplex: das ist am Ende vielleicht das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen den beiden Formen des Bezuges auf das Volk."

Samstag, 18. Juni 2016

Mitte-Studien der Universität Leipzig

Mit "Die enthemmte Mitte" ist die neue Mitte-Studie der Universität Leipzig überschrieben. In der Pressemitteilung der Universität vom 15.06.2016 heißt es:
Die politische Einstellung der deutschen Bevölkerung ist polarisiert. Während eine deutliche Mehrheit der Gesellschaft rechtsextremes Denken und auch Gewalt zum Teil strikt ablehnt und Vertrauen in demokratische Institutionen hat, sind Menschen mit rechtsextremer Einstellung immer mehr bereit, zur Durchsetzung ihrer Interessen Gewalt anzuwenden. Dies ist eines der zentralen Ergebnisse der Studie "Die enthemmte Mitte", die PD Dr. Oliver Decker und Prof. Dr. Elmar Brähler vom Kompetenzzentrum für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung der Universität Leipzig in Kooperation mit der Heinrich Böll-, der Otto Brenner- und der Rosa Luxemburg-Stiftung durchgeführt und heute in Berlin vorgestellt haben.
Auf den Webseiten der beteiligten Stiftungen kann die Studie, die im Psychosozial-Verlag erschienen ist, als pdf heruntergeladen werden (z.B. hier). Erste Einschätzungen rücken jeweils andere Aspekte in den Vordergrund:
  • FAZ: "Die Islamfeindlichkeit in Deutschland wächst" (Link)
  • Spiegel: "Deutschlands hässliche Fratze" (Link)
  • Zeit: "AfD zieht viele Rechtsextremisten an" (Link)
Die Mitte-Studien gibt es seit 2002. Sie werden breit und kontrovers diskutiert und bilden - v.a. in der mehrjährigen Perspektive - einen wichtigen Referenzpunkt der Debatte zu rechtsextremen bzw. -populistischen Einstellungen in Deutschland. Bisher sind folgende Studien erschienen:

Freitag, 17. Juni 2016

Politikwissenschaftliche Erklärung für Rechtspopulismus

Am Beispiel von Pegida illustriert der in Dresden, also "in der Höhle des Löwen" lehrende Politikwissenschaftler Werner J. Patzelt eine Erklärung für Rechtspopulismus als Antwort auf eine "Repräsentationslücke". In seinem Aufsatz "Die Sorgen der Leute ernst nehmen!" (APuZ 40/2015, S. 17-21, Online-Version) geht er von der Beschreibung einer idealen repräsentativen Demokratie aus:
In einer perfekten repräsentativen Demokratie verhielte es sich so: Es gäbe eine Reihe bewährter, staatstragender Parteien, die zwar unterschiedlichen Weltsichten und Prioritäten folgten, doch so weit in ihren Grundwerten und ihren Tatsachenwahrnehmungen übereinstimmten, dass kein Bürger vor einem Regierungswechsel wirklich Angst hätte, sondern ihn wie das vielleicht unangenehme, doch immer wieder nötige Öffnen von Fenstern zur Winterzeit empfände. Diese Parteien wären so sensibel für jene Teile der Gesellschaft, in denen sie wurzeln oder ihre Unterstützer finden, dass sie dort aufkommende Ideen, Interessen und Problemempfindungen rasch bemerkten, sie aus ihrem Verursachungszusammenhang heraus verstünden, das Aufkommen neuen Handlungsbedarfs akzeptierten, aus dem eigenen Werte- und Interessenhorizont zielführende Maßnahmen entwickelten, sodann bei der Bürgerschaft um politische Unterstützung einkämen und am Ende, vor oder nach Wahlen, problemlösende Entscheidungen träfen sowie wirkungsvoll umsetzten. Alle Teile der Bevölkerung wären dann durch gerade ihnen gegenüber responsive sowie politisch erprobte Parteien repräsentiert; und bei Wahlen ließe sich darüber entscheiden, welchen Kurs – von mehreren angebotenen, allesamt halbwegs vernünftigen Lösungswegen – die künftige Regierung einschlagen soll. (S. 18/19)
In der Realität klappt das leider nicht durchgängig, es entstehen "Repräsentationslücken":
Ein Teil der Bürgerschaft fühlt sich von den etablierten, die bestehende politische Ordnung tragenden Parteien im Stich gelassen. Genau dann öffnet sich Raum für Protest- und Alternativparteien, können gleichsam brachliegende Politikfelder von neuen politischen Kräften bestellt werden. (S. 19)
Im Fall von Pegida handelt es sich laut Patzelt im wesentlichen um die folgenden Politikfelder:
Klar ist hingegen, dass die Ursachen jener Sorgen, die sich bei Pegida Luft gemacht haben, weiterhin bestehen: vom passiv hingenommenen Einwanderungsgeschehen und den Problemen, die beim Wandel hin zu einer Einwanderungsgesellschaft entstehen, über sich verschärfende Verteilungskonflikte im unteren Drittel unserer Gesellschaft bis hin zum risikoreichen Umgang mit Russland. (S. 21)